Forschungsteam beobachtet direkt den Altermagnetismus

Forschungsteam beobachtet direkt den Altermagnetismus



Physik-News vom 26.02.2024

Dritter Zweig des Magnetismus an Mangantellurid experimentell nachgewiesen – Perspektiven für neue Forschungsrichtungen

In einem Beitrag der Fachzeitschrift Nature bricht ein internationales Forschungsteam mit der traditionellen Vorstellung von der Unterteilung des Magnetismus in zwei Zweige – den seit mehreren Jahrtausenden bekannten ferromagnetischen Zweig und den vor etwa einem Jahrhundert entdeckten antiferromagnetischen Zweig.


Altermagnetischer Kristall: Nicht nur die Richtungen der Spinpolarisation (in lila und blau) wechseln bei benachbarten magnetischen Atomen, sondern auch die Atomformen selbst wechseln – in der Abbildung dargestellt durch Kippen der hantelförmigen Elektronendichte in zwei verschiedene Richtungen. Der blaue Strahlengang zeigt das Photoemissionsexperiment an einem Synchrotron, das zur Demonstration des Altermagnetismus verwendet wurde.

Publikation:


Krempaský, J., Šmejkal, L., D’Souza, S.W. et al.
Altermagnetic lifting of Kramers spin degeneracy
Nature 626, 517–522 (2024)

DOI: 10.1038/s41586-023-06907-7



Dem Team ist es gelungen, einen dritten, altermagnetischen Zweig direkt experimentell nachzuweisen, den Forschende der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und der Tschechischen Akademie der Wissenschaften in Prag vor einigen Jahren theoretisch vorhergesagt hatten.

Grenzen der bisher bekannten magnetischen Zweige für die Informationstechnologie

Bei einem Magneten denken wir normalerweise an einen Ferromagneten, der ein starkes Magnetfeld hat, das eine Einkaufsliste an einem Kühlschrank hält oder die Funktion eines Elektromotors in einem Elektroauto ermöglicht. Das Magnetfeld eines Ferromagneten entsteht, wenn das Magnetfeld von Millionen seiner Atome in dieselbe Richtung ausgerichtet ist. Dieses Magnetfeld kann auch genutzt werden, um den elektrischen Strom in Komponenten der Informationstechnologie zu modulieren.

Gleichzeitig stellt das ferromagnetische Feld jedoch eine ernsthafte Einschränkung für die räumliche und zeitliche Skalierbarkeit der Komponenten dar. Daher lag in den letzten Jahren ein wesentlicher Forschungsschwerpunkt auf dem zweiten, antiferromagnetischen Zweig. Antiferromagnete sind weniger bekannte, aber in der Natur viel häufiger vorkommende Materialien, bei denen sich die Richtungen der atomaren Magnetfelder an benachbarten Atomen wie weiße und schwarze Farben auf einem Schachbrett abwechseln. Antiferromagnete erzeugen also insgesamt keine unerwünschten Magnetfelder, aber leider sind sie so antimagnetisch, dass sie noch keine aktive Anwendung in der Informationstechnologie gefunden haben.

Altermagnete vereinen „unvereinbare“ Vorteile

Die erst vor wenigen Jahren vorhergesagten Altermagnete vereinen die Vorteile von Ferromagneten und Antiferromagneten, die als grundsätzlich unvereinbar galten. Sie haben darüber hinaus weitere einzigartige Vorteile, die in den anderen Zweigen nicht zu finden sind. Man kann sich Altermagnete als magnetische Anordnungen vorstellen, bei denen sich nicht nur die magnetischen Atommomente benachbarter Atome, sondern auch die Ausrichtung der Atome im Kristall abwechseln. Auf diese Weise erzeugen Altermagnete kein äußeres Magnetfeld, aber die Elektronen im Inneren spüren ein Magnetfeld, das tausendmal stärker ist als das Feld des Magnets am Kühlschrank. Diese Felder können elektrische Ströme ähnlich wie bei Ferromagneten modulieren und sind daher potenziell sehr attraktiv für Anwendungen in der zukünftigen ultraskalierbaren Nanoelektronik.

Darüber hinaus haben Wissenschaftler mehr als 200 Kandidaten für Altermagnetismus identifiziert, die Eigenschaften von Isolatoren, Halbleitern, Metallen und sogar Supraleitern aufweisen. Forschungsgruppen haben viele dieser Materialien in der Vergangenheit untersucht, aber ihre altermagnetische Natur blieb ihnen verborgen.

Theoretiker sagten den altermagnetischen Zweig schon vor fünf Jahren voraus

Ab 2019 veröffentlichte ein Team der Universität Mainz und des Instituts für Physik der Tschechischen Akademie der Wissenschaften eine Reihe von Artikeln, in denen sie unkonventionelle magnetische Materialien theoretisch identifizierten. Im Jahr 2021 wurde dann in einem Artikel desselben Teams – das sind Dr. Libor Šmejkal, Prof. Dr. Jairo Sinova und Prof. Dr. Tomas Jungwirth – vorhergesagt, dass diese Materialien einen dritten grundlegenden Typ von Magnetismus bilden, den sie als Altermagnetismus bezeichneten und dessen Kristall- und Magnetstruktur sich völlig von der Struktur herkömmlicher Ferromagneten und Antiferromagneten unterscheidet.

Da der Altermagnetismus weitreichende und noch nie dagewesene Möglichkeiten für Forschung und Anwendung eröffnet, kam es fast unmittelbar nach der theoretischen Vorhersage zu einer Welle von Folgestudien durch Forschungsgruppen aus der ganzen Welt. Darauf ging es um die Frage, wann der direkte experimentelle Beweis erbracht werden würde.

Experimenteller Nachweis an einem Material, das seit Jahrzehnten als „klassischer Antiferromagnet“ gilt

Ein solcher Nachweis wurde nun erbracht. Das internationale Forschungsteam hatte beschlossen, Kristalle eines einfachen altermagnetischen Kandidaten aus zwei Elementen zu untersuchen: Mangantellurid (MnTe). Bislang galt dieses Material als klassischer Antiferromagnet, da die magnetischen Momente benachbarter Manganatome in entgegengesetzte Richtungen zeigen und somit kein externes Magnetfeld um das Material herum erzeugen.

Doch nun haben die Beteiligten zum ersten Mal den Altermagnetismus von MnTe direkt nachgewiesen. Sie nutzten theoretische Vorhersagen, um in einem Photoemissionsexperiment herauszufinden, in welche Richtung das „Licht“ auf hochwertige MnTe-Kristalle scheint. Das Team hat die Bandstrukturen an einem Synchrotron gemessen und konnte zeigen, dass die elektronischen Zustände in MnTe trotz des Fehlens eines externen Magnetfelds stark Spin-gespalten sind. Das Ausmaß und die Form der Spinaufspaltung stimmen perfekt mit der durch quantenmechanische Berechnungen vorhergesagten altermagnetischen Aufspaltung überein. Außerdem konnten die Forschenden zum ersten Mal eine Spinpolarisierung der Bandstruktur nachweisen. „Dies ist ein direkter Beweis dafür, dass MnTe weder ein herkömmlicher Antiferromagnet noch ein herkömmlicher Ferromagnet ist, sondern zu einem neuen, altermagnetischen Zweig der magnetischen Materialien gehört“, sagt Libor Šmejkal, Hauptautor des theoretischen Teils der Arbeit von der JGU.

Die Studie stützt sich auf das Fachwissen von Forschern des Instituts für Physik der Universität Mainz in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern der Tschechischen Akademie der Wissenschaften, des Paul Scherrer Instituts in der Schweiz, der Westböhmischen Universität in Pilsen, der Universität Linz in Österreich, der University of Nottingham in England und der Karls-Universität in Prag.

Die Entdeckung des Altermagnetismus eröffnet neue Forschungsrichtungen

„Nach den ersten Vorhersagen und angesichts des schnell wachsenden weltweiten Interesses an Altermagnetismus freuen wir uns, dass wir zum experimentellen Nachweis in MnTe beitragen konnten", sagt Libor Šmejkal. Jairo Sinova, Direktor der INSPIRE-Gruppe und des SPICE-Zentrums und Mitautor der Studie, ergänzt: „Die Entdeckung des Altermagnetismus hat neue Wege in der weltweiten Forschung nach neuen physikalischen und materiellen Prinzipien für hochskalierbare und energieeffiziente IT-Komponenten eröffnet." Es ist bemerkenswert, dass das Feld immer mehr in den Fokus rückt. Kürzlich erschienen weitere Studien, die verschiedene andere Eigenschaften altermagnetischer Materialien bestätigen. Die Entdeckung des Altermagnetismus scheint also erst der Anfang einer aufregenden neuen Ära des Magnetismus zu sein.


Diese Newsmeldung wurde mit Material der Johannes Gutenberg-Universität Mainz via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.

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